Oremus pro Pontifice nostro Franzisco.

Dominus conservet eum et vivificet eum

et beatum faciat eum in terra et

non tradat eum in animam inimicorum eius.

Sonntag, 28. August 2011

Priesterkleidung

Vor einigen Wochen hatte ich zufällig Kontakt mit einem in seiner Pfarrei sehr engagierten Katholiken, der voller Zorn über seinen Bischof war. Tatort war das Bistum Limburg. Nun war mir ja schon öfters aufgefallen, dass zwar in ganz Deutschland Pfarreien im Dutzend eliminiert und zusammengelegt werden (immer auf Wunsch des PGR und zur ungeheuren Begeisterung aller Pfarreimitglieder, wenn man den Artikeln der Kirchenzeitung folgt), aber dass das im Bistum Limburg bisher nicht bekannt ist und die unglücklichen Diözesanen dort solche Unbill nur aufgrund ihres mitleidlosen Bischofs erleiden müssen, der Pfarreien schließt, um seine Privatkapelle im Bischofssitz zu finanzieren (so wurde es schon mehrfach dargestellt).

Jener Herr hatte noch einen besonderen Tadel gegenüber seinem Bischof auszusprechen. Dieser bringe seine arrogante Haltung dadurch zum Ausdruck, dass er stets als Priester (oder gar Bischof) erkennbar gekleidet sei. Denn jeder Priester, der sich nicht wie normale Menschen in Jeans und T-Shirt kleide, verachte diese und halte sich für etwas Besseres. Wie bewunderswert sei doch der Vorgänger dieses Bischofs, der da stets als Normalbürger gekleidet gewesen sei.

Ich hatte zwar schon auch von dem einen oder anderen in Hemd mit Pullunder oder T-Shirt gekleidete Pfarrer mehr oder weniger befremdet Aussagen gehört, dass sie hofften, dass alle ihre Mitbrüder gleich ihnen ihre Standesdünkel ablegen möchten, um auch in ihrer Kleidung zu demonstrieren, dass sie sich in nichts von anderen Christen unterschieden. Nur ganz so heftig war der Vortrag noch nie gewesen.

Irgendwie scheinen hier mehrere Missverständnisse vorzuliegen.

Missverständnis 1: Wer eine Berufskleidung trägt, möchte sich damit absondern
Missverständnis 2: Wer eine Berufskleidung trägt, tut dies, um sich über andere zu erheben
Missverständnis 3: Wer eine Berufskleidung trägt, hält sich für überlegen und will auf Nichtangehörige dieses Berufes herabschauen
Missverständnis 4: Berufskleidung ist eine Art Verkleidung

Nein, liebe Mitbürger. Wer eine Berufskleidung trägt, tut dies in erster Linie, weil diese u.a. mit den Erfordernissen seines Berufes zu tun hat und/oder ihn damit besser für andere verfügbar macht.
Es ist doch manchmal ganz sinnvoll, wenn man einen Polizisten gleich erkennen kann. Oder einen Arzt. Oder die Stewardess. - Oder auch einmal einen Priester.
Natürlich gibt es auch immer Menschen, die sich hinter ihrer Kleidung verstecken. Aber das macht die Kleidung nicht weniger sinnvoll.
Übrigens gerade im Falle von Priestern fällt es auf, dass manche Pastoralreferenten sich gerne "klerikal" kleiden und dabei gleich noch (völlig unrechtmäßigerweise) Sakramente wie die Krankensalbung zu spenden vorgeben. Allerdings greifen sie nicht zu Kleidung, die nun einmal Priestern vorbehalten ist, sondern kleiden sich wie Priester, die typische Priesterkleidung (Kollar etc.) für altmodisch/anmaßend/was auch immer halten.




und dann noch
Missverständnis 5: Priester sind wie evangelische Pfarre, sie haben ein Amt bekommen unterscheiden sich aber sonst in nichts von anderen Menschen.
Doch, tun sie. Und zwar weil sie eine offizielle Erklärung abgegeben haben, dass sie darauf verzichten, über sich selbst zu verfügen sondern dienen werden (man nennt das Gehorsam) und zwar der Kirche, ihrem Bischof, dem ganzen Leib Christi. Und je "höher" die Weihe, desto "tiefer" ist diese Verpflichtung bis hin zum Papst, der nicht proforma den Titel "Diener der Diener Christi" trägt.
Die Weihe (und ihr Kenntlichmachen auch durch die Kleidung) ändern aber tatsächlich etwas. Der Geweihte ist durch die Weihe zu mehr verpflichtet als ein Nichtgeweihter. Das bringt Rechte und Pflichten mit sich. Es fordert von ihm aber es erfordert auch Unterstützung ihm gegenüber, damit er seinen Versprechen nachkommen kann. Genau diese Unterstützung wird aber abgegraben, wenn er sich unkenntlich macht, ihm selbst und denen, denen er helfen kann.

"Befehl" nach ganz oben

Merkwürdig. Da ist doch diese Stelle im Johannesevangelium, in der Jesus zu Nikodemus vom Geist Gottes sagt: "Der Wind weht, wo er will."
Zur Genüge kennen alle schon, die Wünsche an den Papst, die Bischöfe und die Kirche im Allgemeinen. (Kurzform: Ich will, dass ihr tut, was ich will), die gerade auch im Vorfeld des Papstbesuches geäußert wurden und werden. Wobei "Wünsche" eine abmildernde Bezeichnung für recht ultimative Forderungen zu sein pflegt. Doch immerhin wurden diese Wünsche (Befehle) bisher nur Menschen übermittelt.

Jetzt sind wir weiter. "Ich wünsche mir", sagt Pastoralamtsleiterin  Veronika Prüller-Jagenteufel (Wien), "dass ... der Heilige Geist der Kirche noch einmal etwas Neues zeigt und neue Wege eröffnet."

Wir können davon ausgehen, dass der Befehl bei der Heiligen Dreifaltigkeit eingetroffen ist (wegen der Allwissenheit).

Wäre die Dame doch nur bei den Wünschen an die Kirche geblieben, die ihrer Meinung nach den Heiligen Geist nicht richtig versteht, aber offenbar war auch die Instanz über der Kirche bisher nicht eilfertig genug, solchen Wünschen nachzukommen, sodass nun öffentlicher Druck vonnöten scheint.

(rofl)

Mittwoch, 24. August 2011

Kirchenchor


Davon gab es bei uns immer einen. Gewöhnlich trat und tritt er bei größeren Kirchenfesten oder Jubiläen seiner Miglieder mit Messn in Erscheinung und singt, wie man es eben von einem Dorfchor erwartet. Nicht übermäßig gut, nicht übermäßig schlecht, manchmal sogar ganz schön.
Einmal versuchte der Chor sich am Karfreitag an der Matthäuspassion. Da gewisse Solopassagen danach noch nach Wochen eine Vorlage für nicht ganz freundliche Anmerkungen derjenigen, die dabei anwesend gewesen waren, dienten, blieb es bei einem einmaligen solchen Einsatz. Zur Erleichterung der Mehrheit.

Außer dem Kirchenchor gab es auch noch zwei Gesangsvereine und ein Blasorchester. Das Blasorchester trat nur an vier Terminen im Jahr in der Kirche in Erscheinung. Wo es immer das gleiche Repertoire spielte.

Anfangs dachte ich, das Blasorchester sei so katholisch wie der Kirchenchor. Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass eher der Kirchenchor so katholisch wie das Blasorchester war, soll heißen, die Sänger erschienen zu einem großen Teil nur in der Kirche, wenn es einen Sondereinsatz des Chores gab.

Irgendwann dachte ich darüber nach, was eigentlich den Kirchenchor vom Gesangsverein unterschied und kam nur auf den Schwerpunkt beim Repertoire. Die einen sangen selten Kirchenlieder, die andern sangen häufiger Kirchenlieder und übten für Kirchenfeste. In der Glaubenspraxis bzw. –nichtpraxis unterschieden sie sich kaum. Auch nicht in dem, was sie gerne sangen, wenn kein Hochfest anstand.

Ich singe gern, aber ich tue auch gern anderes, darum war der Kirchenchor für mich nicht interessant, denn sein Hauptzweck schien letztendlich das Vereinsleben zu sein.

Erst in den letzten Monaten ist es mir langsam gedämmert, durch meine gelegentlichen Besuche der alten Messe, dass der Kirchenchor einmal mehr als Dekoration für Feierlichkeiten und Runde für Geselligkeit war: der Choralgesang mit seinen Feinheiten brauchte Übung. Einmal war der Kirchenchor wichtig, um allen, auch den Nichtsängern, eine intensivere Teilnahme an der Messe zu ermöglich, um die alten Texte nach gregorianischer Melodik im Wechsel des Kirchenjahres allen verfügbar zu machen. Und der Gesang des Kirchenchors war aktivste Teilnahme an der himmlischen Liturgie als ein Chor in Gemeinschaft mit den Engelschören.

Und ich denke, ich würde versuchen, bei so einem Chor mitzusingen, um besser zu verstehen und zu beten und bei etwas mitzuwirken, das dem Gottesdienst so dient. Dafür würde ich zeitliche Freiräume suchen. Aber es gibt keinen solchen Chor in der Nähe. Es gibt nur die katholische Version des Gesangvereins, die sich am Singen per se erfreut und den anderen gelegentlich ihre Künste vorführt.

Montag, 8. August 2011

Liebe und Triebe


I Liebe

Liebe im weitesten Sinne ist die Bereitschaft, eine bestimmte Quantität investieren zu wollen, um ein persönlich angestrebtes Ziel zu erreichen.

Das kann auf ganz niedrigem Niveau sein:
„Ich liebe Schokoladenkuchen. Darum zahle ich gerne ein paar Euro, um den Genuss zu haben, ihn zu essen.“
Eine „Liebe“ vollkommen im eigenen Interesse; der Kuchen wird dafür nur verbraucht und um ihn zu erhalten, muss eine Gegenleistung (Geld) gegeben werden.
Auch unter Menschen gibt es solche rein geschäftlichen Liebesbeziehungen, die aber den anderen zu einem Gegenstand machen und ihm damit etwas an Würde rauben.

Der völlig entgegengesetzte Pol in der Liebe ist der von Jesus demonstrierte:
Er gibt aus Liebe sein Leben, selbst für die, die sich ihm gegenüber feindlich verhalten.
Eine selbstlose Liebe. Es wird alles gegeben, ohne die Sicherheit für eine Gegenleistung zu erhalten. Das angestrebte Ziel ist allein das Wohl des Geliebten. Der Geliebte erhält etwas, ohne selbst dafür etwas leisten zu müssen oder gar benutzt zu werden.
Manchmal wird er dadurch zu jemandem, der auch so zu lieben versucht.

Unsere Liebesfähigkeit befindet sich meistens zwischen  diesen beiden Polen. Wir schätzen aber die uns entgegengebrachte Liebe um so höher, je mehr sie selbstlos wird.

Liebe darf auch auf keinen Fall als identisch mit Geschlechtsbeziehungen gesehen werden, wie das leider oft getan wird. Jeder von uns sollte eigentlich hinreichend andere Beispiele kennen:
-          die Liebe zwischen Eltern, Kindern und Verwandten
-          die Liebe zwischen guten Freunden
-          die Liebe von Gefährten, die gemeinsam schwierige Situationen bestehen
-          die Liebe, wenn es gelingt, im Mitmenschen den Bruder  zu erkennen, den von Gott geliebten Menschen, den man selbst gar nicht anders als lieben kann
In all diesen Fällen kann die Liebe so tief sein, dass der Liebende bereit ist, für den anderen sein Leben einzusetzen, und in vielen dieser Fälle wäre jeder Gedanke an einen Geschlechtsakt mit der geliebten Person abwegig, in manchen Fällen sogar verbrecherisch.

II Triebe

Der sexuelle Trieb ist ursprünglich ein Trieb, der dem Überleben des Menschen dient. Er ist nicht so elementar wie der Trieb zu essen und zu trinken,  was das unmittelbare Überleben sichert oder der, liebevolle Beziehungen zu haben, was das psychische Überleben sichert. Er gehört eher zu situationsbedingten Trieben wie dem Fluchttrieb oder dem Angriffstrieb und ist wie alle Triebe von speziellen Hormonen gesteuert. Und wie alle Triebe kann er ausgelöst werden, ohne dass es sinnvoll ist.

Wer nicht isst, stirbt - darum lösen Hormone beim Essen positive Gefühle aus. Leider so undifferenziert, dass manche Menschen sich dadurch sogar  krank essen. Manche werden dabei auch nur noch von Gier getrieben und können das Essen nicht mehr genießen. Das Essen wird zur Sucht.
Wer keine fürsorglichen Beziehungen hat, wird auch nicht lange überleben - darum lösen Hormone dabei glückliche Gefühle aus. Bei manchen führt das leider zu krankhaftem Verhalten, das nicht mehr aus der Ich-Zentriertheit herauskommt. Die Sicherheit durch Fürsorge anderer wird zur Sucht.
Wer nicht flüchten und kämpfen kann, wird schnell getötet - also lösen die entsprechenden Hormone bei der Reaktion auch euphorische Gefühle aus. Bei manchen führt das zu exzessivem Suchen von Gefahrensituationen, was wieder lebensgefährdend wird. Die Gefahrensuche  wird zur Sucht.
Wer nicht sexuell tätig wird, kann keine Nachkommen zeugen - darum lösen Hormone bei Geschlechtsakten Glücksgefühle aus. Wie Essen, Trinken und riskantes Verhalten kann es auch hier dazu kommen, dass die dadurch ausgelöste Euphorie zu übermäßig gesucht wird, so dass es zu Verhaltensweisen kommt, die genau das gefährden, was der Trieb sichern sollte, nämlich zu. Zerstörung stabiler sozialer Beziehungen, Gefährdung der eigenen Gesundheit und der anderer und zu sexuelle Praktiken, die nicht der Fortpflanzung dienen und um ihrer selbst willen gesucht werden. Die sexuelle Betätigung wird zur Sucht.

III Liebe und Triebe

Was haben nun die Triebe mit Liebe zu tun?
Wer liebt, versucht dem anderen das zu geben, von dem er selbst weiß, dass im anderen dazu ein Antrieb ist. Der Geliebte wird mit Nahrung versorgt, mit Fürsorge umgeben, vor Gefahren geschützt und man versucht, ihm zu ermöglichen, Nachkommen zu haben (z.B. auch Eltern, die wollen, dass ihre Kinder einen treuen und verlässlichen Partner finden).
Das, was ursprünglich nur der Befriedigung eines Triebes diente, kann zur Ausdrucksform der Liebe werden.

Nur wie das schon bei den eigenen Trieben geschieht, kann auch dieses Bestreben, anderen Liebe zu zeigen, auf Irrwege geraten: Es wird zuviel Nahrung gegeben. Oder Nahrung, die dem anderen nicht nützt. Die Fürsorge kann zu einengend werden, statt andere  zu schützen, werden diese in Unselbständigkeit gehalten. Statt dem anderen geistliche und körperliche Fruchtbarkeit zu ermöglichen, wird dieser zur Befriedigung oder Ersatzbefriedigung der eigenen Triebe gebraucht.

Es kann also Ausdruck tiefer Liebe sein, dem anderen ein schönes Essen zu bereiten.
Es kann reine Liebe sein, sich um den anderen zu sorgen.
Es kann Ausdruck hingebender Liebe sein, sich dem anderen in intimen sexuellen Akten zu schenken.
Es kann. Es ist aber nicht notwendigerweise so.
Manchmal ist es Ausdruck der Liebe, das nicht zu geben, zu dem der andere sich getrieben fühlt, weil ihm in der Unterordnung unter einen Trieb Wichtigeres verloren geht.

Die Triebe bieten eine Möglichkeit Liebe zu zeigen. Manchmal, indem einem Bedürfnis nachgekommen wird, manchmal indem man ihnen nicht nachkommt.

IV Das zerstörerische Tabu unserer Zeit
-          während offen diskutiert wird, wie Menschen zu helfen ist, denen bei Essen und Trinken jedes Maß so verloren gegangen, dass sie dadurch ihre Gesundheit stark gefährden und staatliche Behörden manchmal sogar in Versuchung sind, „zum Wohle der Betroffenen“ zu repressiven und gängelnden Maßnahmen zu greifen
-          während psychische Abhängigkeiten, die ein selbständiges Leben und die Freiheit einschränken, in allen Medien heiß diskutiert werden und zahlreiche Menschen mit entsprechenden Beratungen ihren Lebensunterhalt verdienen

ist es tabuisiert, über die gravierenden Folgen sexueller Unbeherrschtheit auf all ihren Ebenen zu sprechen.

Dies beginnt ganz lapidar mit dem erhöhten Vorkommen von, zum Teil sehr schwerwiegenden Erkrankungen, die in Zusammenhang mit einem einer unklugen sexuellen Triebbefriedigung stehen.
Viele dieser Erkrankungen haben ihren Ursprung erst an zweiter Stelle in der Betrachtung der Sexualität als Konsumgut, was zu sexuellen Kontakten mit (häufig) wechselnden Partner steht; solche Praktiken führen nur zu ihrer stärkeren Verbreitung. In vielen Fällen rühren jedoch die Erkrankungen daher, dass in der ständigem Suche nach immer neuer Erregung ausgerechnet die – aus mehreren biologischen Gründen – sehr infektionsanfälligen Geschlechtsorgane in Kontakt mit Umfeldern gebracht werden, für die sie nicht wirklich tauglich sind. Als drastisches Beispiel ist hier zum Beispiel der Enddarm zu nennen, ein Umfeld, das mit zahlreichen Bakterienstämmen besiedelt und mit Verdauungsrückständen ausgekleidet ist.
Während fast jeder es zu Recht als Angriff gegen seine Menschenwürde betrachten würde, zwänge ihn jemand, seine Zunge in Kontakt mit einer schlecht gereinigten Toilettenschüssel zu bringen, schrecken einige (viele?) unbegreiflicherweise nicht davor zurück, ein anderes Körperorgan, das deutlich infektionsanfälliger ist als der Mundraum und über weniger Abwehrmechanismen verfügt, ausgerechnet in Kontakt mit dem Inneren des Enddarmes zu bringen. Was zum einen oft zu kleinen Verletzungen des Enddarmes selbst führt (immer riskant, da so Bakterien in die Blutbahn gelangen können) und zum anderen die dortigen Bakterienkulturen beim nächsten standardmäßigerem Einsatz besagter Organe in den weiblichen Vaginalraum überträgt, wo sie die verschiedensten Erkrankungen bis hin zum Gebärmutterhalskrebs auslösen können.

Alles sehr tabuisierte Dinge. Mit doppeltem Tabu, da es ja auch noch um die Ausscheidungsorgane geht.  – Vielleicht aber könnte hinter so manchem ehemaligem Gesetz, das nun als reine Grausamkeit gegenüber diversen sexuellen Neigungen propagiert wird, doch auch die eine oder andere Erwägung zur Verhütung grassierender Krankheiten gestanden haben?

Wie dem auch sei. Möglicherweise gravierender als Risiken für die physische Gesundheit, wenn gewisse Dinge praktiziert werden, ist die Behauptung – der nicht widersprochen werden darf -, dass es bei der Stillung diverser Triebe vor allem um Liebe gehe. Ja, dass Liebe manchmal unabdingbar in Verbindung mit Geschlechtsverkehr gesehen wird. Dass manchmal fast schon in einem fatalen Umkehrschluss dem Mangel an Liebe vorgeworfen wird, der eine Bändigung der Triebe für sinnvoll hält.

In einigen Fällen scheint es sich tatsächlich um eine Sprachlosigkeit der Liebe zu handeln, die meint, sich nur durch geschlechtliche Intimität ausreichend Ausdruck verschaffen zu können. Ist es dann allerdings verwunderlich, dass bei Menschen, die mit so einem vagen und unvollständigen Begriff von Liebe aufwachsen, der Wille einem Trieb zu widerstehen sehr geschwächt ist? Wird ihnen doch fast gleichzeitig der Vorwurf gemacht, sie liebten gar nicht wirklich, wenn sie sich diesem Trieb widersetzten! Und der Mangel an Liebesfähigkeit ist in unserer Zeit, in der die Emotionalität ständig Pyrrhus-Siege über die Vernunft davonträgt, eine der vernichtendsten und aus der Gemeinschaft ausschließenden Vorwürfe, die erhoben werden können.